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Das Ende des Römischen Reiches in Iberia

Unter besonderer Berücksichtigung der Chronik des Hydatius


© Stephan Wannewitz



A. Einführung in das Thema

  1. Erläuterung des Themas

  2. Absicht der Untersuchung

  3. Eingrenzung des Themas

  4. Darstellung der Quellenlage und des Forschungsstandes



B. Die Ereignisse des 5. Jahrhunderts in Spanien

  1. Spaniens Entwicklung als römische Provinz

  2. Spanien unter dem Einfluß der barbarischen Völker



C Hydatius

  1. Biographischer Abriß

  2. Die Chronik des Hydatius

  3. Hydatius' Bericht im Spiegel der historischen Forschung



D. Zusammenfassung und Fazit

  1. Zusammenfassung

  2. Fazit



E. Anhang

  1. Quellen

  2. Darstellungen

  3. Anmerkungen







A. Einführung in das Thema

1. Erläuterung des Themas
Bei dem Versuch, das „Ende“ des Römischen Reiches fassbar und auch nachvollziehbar zu machen, ist es unabdingbar, den Einfluss Roms auf seine Provinzen zu betrachten, deren hohe Anzahl in den Blütezeiten als Indikatoren der wirtschaftlichen und politischen Macht gelten konnten.
Diese Aussage zeigt bereits die gesamte Problematik auf, die sich um die Fragestellung ranken. Als erstes drängt sich die Frage auf, inwieweit von einem „Ende“ des Römischen Reiches gesprochen werden kann und auch darf. Der Begriff „Ende“ birgt stets die Assoziation eines abrupten Vorganges, weniger die eines Prozesses, der einen längeren Zeitraum umfasst. Für einige Provinzen wird die Antwort wohl eindeutig sein: durch einen Wechsel der Machthaber verschwand der römische Einfluss allmählich, wodurch von einem „Ende“ der römischen Zeit in einem lang währenden Verlauf zumindest für spezifische Gebiete gesprochen werden kann.


2. Absicht der Untersuchung
In dieser Untersuchung soll der Versuch unternommen werden, das Schwinden des römischen Einflusses in einer der Provinzen nachzuzeichnen. Dieses soll am Beispiel Spaniens geschehen. Spanien kann in diesem Zusammenhang als durchschnittlich stark romanisiert angesehen werden. Bei der Betrachtung gerade dieses Landes, das als eines der ersten dem Einfluß Roms entzogen wurde, kann exemplarisch gezeigt werden, was sich in der Folgezeit in weiteren Provinzen zutrug: die allmähliche Zurückdrängung der Römer allerdings nicht zugunsten der einheimischen Bevölkerung, sondern einer neuen Besatzungsmacht, den sogenannten „barbarischen Völkern“.


3. Eingrenzung des Themas
Bei diesem Thema bedarf es einer Eingrenzung des Untersuchungsraumes, denn eine zu weit gefasste Arbeit würde sowohl den geplanten Rahmen sprengen als auch zu wenig aussagefähigen Ergebnissen führen.
Zu diesem Zweck ist es geplant, den einleitenden Teil über die Entwicklung Spaniens sowohl unter der römischen als auch der barbarischen Herrschaft möglichst knapp zu gestalten, da an diesem Punkt auf die Vollständigkeit der Darstellung verzichtet werden kann. In ihrem Kern wird sich diese Untersuchung mit dem spanischen Bischof Hydatius und dessen Chronik beschäftigen. Über den Versuch, die Person darzustellen und die Chronik zu interpretieren soll eine Einordnung sowohl der Person als auch der Chronik in den historischen Kontext und die historische Forschung erfolgen, um einen Beitrag zu der Diskussion über das „Ende“ Roms zu leisten.
Ausgeklammert wird eine quellenkritische Untersuchung, da zum einen die Quelle lediglich in Übersetzung respektive der Edition Mommsens1 vorlag und andererseits auf die gute Darstellung Muhlbergers2 verwiesen werden kann.


4. Darstellung der Quellenlage und des Forschungsstandes
Bei der Untersuchung der spanischen Geschichte des 5. Jahrhunderts muss als Quelle die Chronik des Bischofs Hydatius3 zugrunde gelegt werden. Diese Quelle, die lange Zeit wenig Beachtung fand, erscheint zuerst relativ isoliert, da der Autor, Hydatius außerhalb seiner eigenen Chronik nur sehr wenig in Erscheinung tritt, und sein Schriftgut auch nicht durch stilistische Feinheiten oder besondere Informationen Beachtung gefunden hat. In der historischen Forschung ist die Bewertung der Chronik in ständiger Bewegung, ihr Wert in der neueren Forschung jedoch weitgehend unumstritten. Die Kritik an der Chronik begründete sich lange Zeit auf die gerade für die Zeit nach 455 auftauchenden chronologischen Ungereimtheiten, die jedoch den Gesamtwert nicht schmälern.
In der Forschung des deutschsprachigen Raums spielt die Entwicklung Spaniens im 5. Jahrhundert eine eher untergeordnete Rolle. Auch für die römische Geschichte wird der Provinz Spanien keine große Bedeutung beigemessen, so dass auch die Chronik des Hydatius wenig Beachtung findet. Von entscheidender Bedeutung für diese Untersuchung sind die Darstellungen von Muhlberger4 und Thompson5, die, beide aus dem englischsprachigen Raum stammend, den neueren Forschungsstand bieten. Leider stand die seit einiger Zeit angekündigte Dissertation von Burgess6 nicht zur Verfügung, die wichtig gewesen wäre, weil der Autor die Quelle im Original bearbeitet hat, und somit nicht, wie fast alle anderen Interpretationen, auf der Edition Mommsens aus dem Jahre 18947 beruht.



B. Die Ereignisse des 5. Jahrhunderts in Spanien

1. Spaniens Entwicklung als römische Provinz
Seit ungefähr 200 n. Chr. war in Spanien die Romanisierungswelle, die eine Angleichung an die römische Lebensart, die lateinische Sprache und die Übernahme des Rechtssystems und der Zivilisation zumindest durch weite Teile der Bevölkerung umfasste, nahezu abgeschlossen, und die Provinz kam in den folgenden Jahren zu einer nahezu ungestörten Blüte.
Die früh romanisierten Gebiete leisteten große Beiträge zum geistigen und politischen Leben des gesamten Reiches. Von der Halbinsel stammten unter anderen die Seneca- Familie, Columella, Mela, Bocchus, Martial und Quintillian. Auch im Senat saß eine nicht geringe Anzahl von Hispalorömern. Trajan (98-117) und sein Adoptivsohn Hadrian (117-138) waren, aus Spanien stammend, die ersten Kaiser provinzial-römischen Ursprungs.
Spaniens wirtschaftliche und kulturelle Blüte wurde sowohl durch hohe agrarische und industrielle Produktion als auch durch ungestörte Fernhandelsbeziehungen gewährleistet. Das Land gehörte in vielen Bereichen zu den führenden Produzenten des Reiches. Neben der hier zu nennenden florierenden Öl- und Weinproduktion8 war Spanien für seine Pferdezucht berühmt, da von dort die meisten Pferde für den römischen Zirkus stammten9. Weiterhin wurden in Spanien große Mengen von Stoffen und Gewändern hergestellt10, die eines der wichtigsten Handelsgüter der Spätantike darstellten. Einen weiteren gewichtigen Produktionsbereich im antiken Handwerk bildete neben der Bekleidungsherstellung der Metallsektor. Auch hier stand Spanien an der Spitze des Reiches: es war berühmt für seine Gold-, Silber- und Eisengewinnung11. Aufgrund seiner vielfältigen und qualitativ hochwertigen Güter bestand zwischen Spanien und dem Reich ein reger Handelskontakt.
Aber nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das religiöse Leben nahm sehr schnell römische Züge an, so daß die spanische Kirche als ein zuverlässiges Glied der Reichskirche anzusehen war.
Mit dem letzten Viertel des 2. Jahrhunderts begann allerdings eine unruhige Zeit. Die Pest, ständige Bedrohung durch maurische Übergriffe auf den Süden des Landes und die seit der Mitte des 3. Jahrhunderts zunehmende Bedrohung der Küsten durch fränkische und alamannische Seepiraten stürzten das Land in eine Dauerkrise12.

Im Land selbst kam es zu sozial motivierten Bauernaufständen und zu einem Abflauen der wirtschaftlichen Stärke.
Der Erzertrag der Bergwerke sank. Die dadurch ausgelöste Rezession führte zu einem Verfall der Verkehrswege und des Fernhandels, einem der Garanten des spanischen Wohlstandes. Begleiterscheinung der Veränderungen war eine Verarmung der Mittel- und Verelendung der Unterschichten. In dieser Phase verlief die Entwicklung in Spanien nahezu parallel zu der im gesamten Reich.
Die konstantinischen Epoche zu Beginn des 4. Jahrhunderts führte zu einer Stabilisierung der Verhältnisse, wenngleich die Bevölkerung der Städte abnahm und sich das wirtschaftliche Schwergewicht auf die stark befestigten Landsitze der „potentes" 13 verlagerte.
Das Spanien des 4. Jahrhunderts erlebte einen erneuten kulturellen Aufschwung. Es brachte unter anderem die theodosianische Dynastie, den Ursupator Magnus Maximus sowie bedeutende christliche Geistesgrößen wie beipielsweise den Epiker Iuvencus, einen spanischer Presbyter aus vornehmem Geschlecht, den christlich-lateinischen Dichter Prudentius (348-405) und Orosius14, den spanischen Geschichtsschreiber und theologischen Schriftsteller hervor.


2. Spanien unter dem Einfluß der barbarischen Völker
Bereits im frühen 5. Jahrhundert begann die politische und gesellschaftliche Auflösung. Dies geschah vor allem gegen den Willen des Adels. Die Völkerwanderung führte die Völker der Alanen, Sueben und Vandalen auf die Halbinsel15, und nur noch einzelne Städte widerstanden sowohl in Gallien als vor allem auch in Spanien den Germanen. Durch den Einmarsch der sogenannten barbarischen Völker über die Pyrenäen im Jahr 409 verlor Spanien den engen Kontakt zum Reich. Das Land wurde nach Orosius im Losverfahren16 unter den germanischen Völkern aufgeteilt: Die Sueben und ein Teil der Vandalen erhielten den Nordwesten, die Alanen die Mitte und ein anderer Teil der Vandalen den Süden.
Durch spätere, kriegerische Auseinandersetzungen gelangten schließlich auch noch die Westgoten nach Spanien. Zunächst kamen sie als römische Föderaten, um die Sueben zu bekämpfen (aus diesem Grund bekamen sie im Jahr 418 Siedlungsland in Aquitanien zugewiesen). Später traten sie jedoch selbst als Okkupanten auf. Mit der Eroberung der Provinz Terraconensis 474 durch den Westgotenkönig Eurich, der 468 nach Spanien einmarschiert war, schied die Halbinsel faktisch aus dem römischen Reichsverband aus. Allerdings war die römisch-romanische Kultur des Landes so stark gefestigt, daß sie sich gegen die gotische durchzusetzten vermochte.



C. Hydatius

1. Biographischer Abriß
Wie bereits angedeutet, ist die Chronik des spanischen Bischofs Hydatius, die als die Hauptquelle für den zu betrachtenden Zeitraum anzusehen ist, als eine isolierte Quelle anzusehen, da die Person des Autors in anderen erhaltenen Texten, die der gleichen Zeit entstammen, wenig in Erscheinung getreten ist. Bereits bei dem Versuch die Biographie des Hydatius nachzuzeichnen, treten zahlreiche Schwierigkeiten auf, weil er außerhalb seiner Chronik lediglich in vereinzelten Briefen Erwähnung findet.
Hydatius wurde ungefähr 394 in Nordspanien geboren, einem Gebiet, das etwa dem heutigen Galicien17, der nord-westlichsten spanischen Provinz entspricht. Die Geburtsstadt Lemica18 heißt heute Xinzo de Limia und liegt im Nordwesten Spaniens, nahe der Grenze zu Portugal. Die soziale Herkunft des Hydatius kann nicht sicher bestimmt werden, jedoch muß seine Familie einem gehobenen Stand angehört haben, da ihm ermöglicht wurde, im Alter von 12 oder 13 Jahren eine Reise in die berühmten geistigen Zentren des Nahen Ostens zu unternehmen. Hydatius besuchte Alexandria, Zypern, Jerusalem und, was für ihn von besonderer Bedeutung war, vor allem auch Bethlehem. Denn hier kam es zu der wohl schicksalhaften Begegnung mit Hieronimus, dessen Chronik er dann später fortsetzte. Zurück in Spanien wurde er 416 zum Priester ordiniert und 427 zum Bischof konsekriert. In der Chronik wird sein Bischofssitz nicht erwähnt, jedoch wird heute Aqua Flaviae als sein Sitz angenommen. Geographisch liegt diese Stadt in der Nähe des portugisischen Chaves.
Bei der Beurteilung des historischen Schaffens des Bischofs spielt diese soziale und geographische Herkunft eine nicht unwesentliche Rolle, denn aus der mittelmeerzentrierten Sichtweise der römischen Welt lag Nordspanien in sehr weiter Entfernung zum Zentrum. Das Gebiet galt als bergig, kalt, ungastlich, schwer erreichbar und seine Einwohner als wild, widerspenstig und roh19. Hydatius selbst sprach von der Entlegenheit Galiciens und seiner Position am Ende der Welt20.
Bei dem Versuch Begegnungen des Hydatius mit bekannten Persönlichkeiten seiner Zeit nachzuzeichnen, muß auf die Chronik und somit auf die eigenen Beschreibungen verwiesen werden. Als erste ist somit die Begegnung mit Hieronimus zu nennen, die Hydatius in seiner Jugend hatte. Nach dieser Reise in den Nahen Osten scheint Hydatius die meiste Zeit seines Lebens in seiner Heimat verbracht zu haben. Zu einer weiteren wichtigen Begegnung kam es 431, als Hydatius den römischen Feldherrn und Staatsmann Aetius traf, und mit ihm über einen Einfall römischer Truppen nach Spanien verhandelte21, damit diese geeignete Schritte gegen die Sueben unternehmen konnte, die in Spanien als Ursupatoren auftraten.
Im Jahr 445 sah sich Hydatius wiederum gezwungen, seine Diözese zu verlassen. Er ging nach Astorga, um dem dortigen Bischof Turibius gegen aufkommende Häresien zu helfen22. Es ging um einige Manichäer23, die, nachdem sie lange versteckt gelebt hatten, durch die Anstrengungen des Bischofs gestellt werden konnten. Sie wurden durch Hydatius und Turribus verhört und anschließend zum Bischof Antoninus von Mérida geschickt.
Nach diesen Ereignissen erwähnt Hydatius seine eigene Person erst wieder 460, einem Jahr mit großen Unruhen in Galicien, in der Chronik. Eine gotische Armee war mit römischem Einverständnis nach Spanien einmarschiert, um die Sueben zu bekämpfen. Den Sueben gelang es aber, die Goten erfolgreich zurückgeschlagen. Hydatius wurde von ihnen unter ihrem Anführer Frumarius 460 in der Kirche von Chaves gefangengenommen und in Aqua Flaviae festgesetzt24. Nach drei Monaten in Gefangenschaft wurde Hydatius wieder freigelassen.
Die letzten Einträge stammen aus den Jahren 468 und 469, einem Zeitpunkt an dem Hydatius bereits über 70 Jahre alt war. Es wird im Allgemeinen angenommen, daß der Bischof in diesen Jahren gestorben ist25.
Die kurzen Anmerkungen innerhalb der Chronik über seine eigene Person ermöglichen es kaum, die Persönlichkeit von Hydatius zu erfassen. Jedoch läßt die Themen- und Wortwahl einen Teil seiner Persönlichkeit erahnen, da seine unterschiedliche Gewichtung der Bedeutung verschiedener Ereignisse stark von seiner subjektiven Wahrnehmung geprägt zu sein scheint. Die Angaben über sich und seine Familienverhältnisse lassen nur Vermutungen zu: die darin enthaltenen Informationen über seine Jugend führen zu dem Schluß, daß er aus einer wichtigen, sozial hochgestellten Familie der Provinz entstammt, die ihm sowohl eine literarische Ausbildung als auch eine lange Reise in die geistigen Zentren seiner Zeit ermöglichte. Er stellte sich selbst stets als einen treuen Anhänger Roms, als Gegner der Sueben und vor allem auch als ein Gegner von Häresien dar. Denn nicht nur die Darstellung der Geschehnisse in Astorga in Verbindung mit den Manichäern nahm ihn sehr in Anspruch, sondern vor allem der ständige Kampf gegen den Priscillianismus26.


2. Die Chronik des Hydatius
Die Chronik des Hydatius bietet aber weit mehr, als die sporadischen Eintragungen zu seiner eigenen Person, die nur eine unzureichende Rekonstruktion seiner Biographie ermöglichen. Bevor allerding auf den Inhalt eingegangen werden kann, ist es erforderlich, einen Einblick in die Quellen zu geben, welche Hydatius benutzte.
In den Kapiteln 5 und 6 der Einleitung werden die Quellen genannt: „Quae fideli suspiciens cordis intuitu, partim ex Studio scriptorum, partim ex certo aliquantorum relatu, partim ex cognatione quam iam lacrimabile propriae vitae Tempus offendit, quae subsequuntur adiecimus.“27. Hydatius benutzte also sowohl schriftlich überlieferte Quellen, narrative Quellen als auch eigene Erfahrungen. In dieser Quellenlage begründet sich die Einordnung vieler Ereignisse und vor allem auch die Themenauswahl. Hydatius, in einer spanischen Provinz geboren und familiär eingebunden, schrieb aus seiner besonderen Perspektive. Es kann angenommen werden, daß er durch seine Herkunft die Intention besaß, eine Chronik für Spanier, oder, noch stärker formuliert, für die Einwohner Galiciens zuschreiben28. Es werden nicht nur politische Ereignisse aus der Reichs- und Kirchenführung kommentiert, sondern auch Naturereignisse, die lediglich Nordspanien tangierten, wie beispielsweise eine Sonnenfinsternis am 11. November 40229, die kaum im gesamten Reich sichtbar gewesen sein kann.
Welche besondere Stellung seine Heimat in seiner Chronik einnimmt, macht der Vergleich zweier anderer Textstellen deutlich. Die Invasion Spaniens im Jahr 409 ist, gemessen am Umfang der Berichterstattung, ist für ihn von weit größerem Interesse als der Fall Roms 41030, der für den Rest des Reiches ungleich bedeutender war. Zwar wurde die Invasion der barbarischen Völker nach Spanien auch von anderen Zeitgenossen kommentiert, jedoch wurde dem Geschehen nicht der hohe Stellenwert beigemessen, wie es Hydatius tat. Aber gerade dieser Chauvinismus und seine große Subjektivität, die beinahe als naiv bezeichnet werden können, machen die Besonderheit und eine der großen Stärken der Chronik aus: kaum eine andere Quelle scheint soviel Lebensgefühl, soviel Identifizierung mit dem Niedergang des römischen Einflusses zu bezeugen. Ebenfalls aus dieser Textstelle läßt sich eine weitere Aussage herleiten: die Bedeutung der Stadt Rom für die Erhaltung des römischen Reiches war geschwunden. Eine Gleichsetzung des Reiches mit der Stadt Rom fand nicht mehr statt.
Die Chronik kann in drei größere Bereiche eingeteilt werden, die im Text immer wieder Erwähnung finden. Ein Themenkomplex beinhaltet die politischen Belange, die direkt das Reich betreffen, hierbei erwähnt er beispielsweise die Ordinierung neuer Bischöfe von Rom und die Einsetzungen neuer Kaiser und nicht zuletzt die Kriegszüge und Vorstöße der „barbarischen Völker. Einen weiteren Komplex bilden die Einträge, die sich mit Spanien und den einzelnen spanischen Provinzen befassen, wozu auch das Vorgehen des Hydatius gegen Häretiker gezählt werden muß. Die Schilderungen von Naturereignissen können als dritter Bersich betrachtet werden, wobei insbesondere die häufige Nennung von Sonnenfinsternissen auffällt.

Im Folgenden soll ein kurzer Einblick in Details der Chronik gegeben und wichtige Kapitel erläutert werden.
Hydatius beginnt, nach einem Vorwort, mit dem neununddreißigsten Kaiser Roms, mit Theodosius, der gemeinsam mit Gratian und Valentinian dem jüngeren regierte31. Er blieb insgesamt siebzehn Jahre an der Macht und bekam später von Gratian den Titel Augustus verliehen. Bezeichnend für Hydatius' persönliche Intention ist sein expliziter Hinweis darauf, daß Theodosius aus Spanien, aus Galicien stammt32.
Das erste längere Kapitel ist Priscillian gewidmet. Priscillian, aus einer vornehmen spanischen Familie stammend, war aufgrund seines Glaubens33 mit dem verweltlichten Klerus Nordspaniens und Südgalliens in Konflikt geraten34. In diesem Passus über Priscillian wird ein wichtiger Mentalitätsaspekt deutlich: die Angst nicht nur des Hydatius, sondern der führenden klerikalen Schicht vor Häresien. Die Äußerungen „Priscillianus, declinans in haeresem gnosticorum [...]“35und „[...] a sancto Martino episcopo et ab aliias episcopis haereticus iudicatus“36 bringen die von den Zeitgenossen empfundene Bedrohung, die von Priscillian und seinen Anhängern ausging, zum Ausdruck. Bereits wenige Zeilen später, in Kapitel 16, ist Priscillian erneut Thema der Niederschrift: er wurde auf den Synoden von Saragossa (380) und Bordeaux (384/85) verurteilt.

Nachdem man ihm das Episkopat entzogen hatte, wurde er auf Befehl des Tyrannen Maximus hingerichet. Die Verurteilung und Hinrichtung im Jahre 385 in Trier erzielte jedoch nicht das von Priscillians Gegnern erhoffte Ergebnis. Im Gegenteil: sein Tod wurde von seinen Anhängern als ein Martyrium gepriesen, und die priscillianische Bewegung nahm einen Aufschwung, der vor allem Galicien37 und Südfrankreich erfaßte. Zwar versuchten viele bedeutende Theologen dieser Entwicklung entgegenzuwirken, so verfasste Augustinus auf Veranlassung Orosius' mehrere antipriscillianische Schriften und Papst Leo I. Griff nach einer Anfrage des Bischof Turibius von Astorga mit der Ansetzung mehrerer Synoden zur Übverwindung des Priscillianismus ein38. Die Verurteilung durch die Synode von Braga (561 oder 563) führte zu einem allmählichen Erlöschen der Bewegung. Jedoch konnte sich der Priscillianismus besonders in Galicien bis in das 7. Jahrhundert hinein halten39.
In den nächsten Artikeln wendet sich Hydatius erneut der weltliche Herrschaft im Reich zu: er berichtet vom Tod des Maximus und von Cynegius, der auf seinem Siegeszug durch Ägypten heidnische Götzenbilder zerstört hatte40. Hierauf folgt eine kurze Beschreibung der Reichsaufteilung zwischen Arcadius und Honorius, den Söhnen des Theodosius, deren Regierung 30 Jahre dauerte. Danach gilt die Aufmerksamkeit des Chronisten der Synode von Toledo, bei der wiederum die Beschäftigung mit dem Priscillianismus das Geschehen beherrschte41.

Im weiteren Verlauf der Quelle wird die besondere Affinität des galicischen Bischofs Hydatius zu seiner Heimat deutlich: die Kapitel 34 und 35a, die vom Umfang her nahezu gleich sind, spiegeln die subjektive Einschätzung der Bedeutung spezifischer Ereignisse wieder. In Kapitel 34 wird eine Sonnenfinsternis geschildert, in Kapitel 35a wird der neue Bischof von Rom, Innozenz vorgestellt, der nach Hydatius' Rechnung der siebenunddreißigste Papst war42. Für beide Aussagen wird jeweils ein Satz benötigt.
Das Kapitel 42, das erste unter der Zeitangabe Olympi. CCLXXXXVII43 stellt dar, daß die Völker der Alanen, Vandalen und Sueben nach Spanien einmarschiert sind. Als zweite Datierung erfolgt die Nennung der Konsuln: „ [...] Honorio VIII et Theodosio Arcadii filio III consulibus“44. Dieser durch die Völkerwanderung erfolgte Einschnitt in die spanische Geschichte fand im Jahre 409 statt, als die genannten Völker die Pyrenäen überwanden. Dieses und das nächste Kapitel 43, das mit der Sentenz „Alaricus rex Gothorum Romam ingressus [...]“45 eingeleitet wird, zeigen aus Hydatius' Sicht die Bedeutung, die der Stadt Rom in diesen Jahren zugemessen wurde. Der Eroberung und die Plünderung der Stadt, die im Monat August des Jahres 410 erfolgte, wurde allgemein als ein welterschütterndes Ereignis angesehen46.
Im Gegensatz hierzu muß Kapitel 48 gesehen werden, in welchem sehr ausführlich die Auswirkungen der Pest und vor allem der Verwüstungen durch die barbarischen Besatzer auf Spanien beschrieben werden. Nicht nur der unterschiedliche Textumfang dieser beiden Ereignisse deutet, will man Thompson folgen47, darauf hin, welch eminente Bedeutung vor allem die Besetzung Spaniens auf Hydatius hatte. Die Wortwahl kann dahingehend interpretiert werden, daß die Rolle der Stadt Rom für das römische Imperium sekundär geworden war. Sie war ein Teil des Reiches, doch aus der Sicht des galicischen Bischofs von der Bedeutung eines caput mundi weit entfernt.

Weitaus wichtiger war die eigene Lebenswelt, die direkte Umgebung, wie auch das Kapitel 49 zeigt, in welchem Hydatius die Situation in Spanien schildert. Es war die Zeit in der die barbarischen Völker das Land verwüsteten, untereinander aufteilten und die spanische Bevölkerung unterwarfen48. Die Vandalen besetzten Teile von Galicien, die Sueben den äußersten Landesteil, der am Meer lag, die Alanen nahmen Lusitania und Carthaginiensis und der Teil der Vandalen, die sich auch Silinger49 nannten, bekamen Baetica zugesprochen.
Sodann widmet sich Hydatius in den nächsten Kapiteln wieder der Reichsführung und den Kriegszügen. Für die Einschätzung des Quellenwertes sind die Kapitel 63 bis 75 eminent, da sie sich fast ausschließlich mit dem Geschehen auf der iberischen Halbinsel beschäftigen. Es sind nicht nur politische Ereignisse wie beispielsweise der Kriegszug des Gotenkönigs Vallia als römischer Föderat gegen die Barbaren in Spanien50 oder die Einsetzung des neuen Bischofs von Rom, Eulalius51, sondern wiederum Naturereignisse, die geschildert werden. In Kapitel 64 ist es eine Sonnenfinsternis in Spanien und in Kapitel 71a ein Erdbeben, das die Stadt Jerusalem und andere Orte erschütterte. Hier nennt Hydatius auch seine Quelle: er griff auf die schriftlichen Aufzeichnungen des kurz zuvor erwähnten Bischofs52 Eulalius zurück.
In Kapitel 89 wendet sich Hydatius dem Zustand der Kirchen in Spanien zu. Er schildert besorgt, wie der vandalische König Guntharich die Hand gegen die Kirche der Stadt Sevilla erhoben hatte. Dessen kurz darauf erfolgter Tod wurde von Hydatius als eine gerechte Strafe Gottes gewertet53. Der darauf folgende König Geiserich verleugnete den katholischen Glauben und verfiel dem Arianismus. Im folgenden Kapitel wird dargestellt, wie Geiserich mit allen Vandalen und deren Familien Spanien verieß, um sich nach Afrika auszuschiffen.
Es schließen sich Berichte über Verwüstungen durch die Sueben in Galicien an. Auch werden die Person und Kämpfe des Aetius beschrieben, der von Hydatius um Hilfe gegen die Sueben gebeten wurde. Aetius scheint durch Hydatius große Bewunderung erfahren zu haben, werden doch die Siege und vor allem auch die Anzahl der Opfer sehr hoch angesetzt. In Kapitel 110 wird von 20.000 getöteten Burgundern54 und kurz darauf von 8.000 getöteten Gothen55 gesprochen. Im Bericht der Schlacht der Römer gegen die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern spricht Hydatius von 300.000 Opfern56. Es steht zu vermuten, daß diese Zahlen symbolisch eingesetzt wurden und lediglich für eine undefinierbar große Zahl von Opfern stehen.
In der Folge wird in freier Aneinanderreihung über verschiedene Handlungen der Vandalen und Sueben, und vor allem über die bereits angedeuteten Unruhen, die durch Häresien ausgelöst wurden, berichtet. Immer wieder eingeflochten werden hierbei Naturereignisse, wie in Kapitel 136 eine Sonnenfinsternis57 und Kapitel 149 ein Erdbeben58 und weitere am Himmel erschienene Zeichen. Auch vom Tode des Aetius erzählt Hydatius, welcher von Valentinian perönlich getötet wurde59. Stets aber werden auch hier Berichte beigefügt, die direkten Bezug auf die spanische Heimat des Autors haben: es sind Einschübe über die Sueben, die eine Provinz verwüsteten60, über die Goten, die im Auftrag Roms die Bagauden, eine Gruppe von spanischen Aufständigen, bekämpften61 oder über Naturereignisse, die sich in Galicien zutrugen62.
Am Ende der Chronik stehen wiederum Zeichen und Seltsamkeiten, die sich in Galicien ereigneten, aber nicht mehr alle detailliert aufgeführt werden63. An dieser Stelle schließt die Quelle abrupt. Es wird allgemein angenommen, daß Hydatius Eintragungen bis zu seinem Tode vornahm, so daß dieser in etwa im Jahre 469 angesiedelt werden kann64.


3. Hydatius' Bericht im Spiegel der historischen Forschung
Die Grundlage der Erforschung der Quelle bildet eine Handschrift aus dem 9. Jahrhundert65. Diese Handschrift befindet sich in Berlin und wurde von Mommsen Handschrift B genannt. Sie ist in einem Band enthalten, der die Chroniken des Hieronimus und Hydatius, die ConsulariaHydatiana und das Liber Generationis umfaßt. Diese Handschrift wurde von mehreren Personen kommentiert und verbessert. Es handelt sich sowohl um Korrekturen des Originalschreibers als auch um spätere Eintragungen.
Die Chronik des Hydatius hat lange Zeit in der historischen Forschung kaum Beachtung gefunden. Nach der Edition Mommsens war es erst Christian Courtois66, der eine kritische Interpretation der Quelle bot. Nach Untersuchung der Edition war er überzeugt, daß das zugrunde liegende Berliner Manuskript verfälschter war, als von Mommsen angenommen wurde. Seiner Einschätzung nach konnte jemand, der so gewissenhaft gearbeitet hatte wie Hydatius nicht so viele und gravierende Fehler in der Datierung gemacht haben, wie in dem Manuskript B gefunden wurden.
In der neueren Forschung von Thompson und Muhlberger wird davon ausgegangen, daß die von Courtois geäußerte Kritik an der Chronik nicht gerechtfertigt67 ist. In der oftmals sehr bildhaften Sprache anglo-amerikanischer Historiker wird aufgezeigt, daß die Zweifel von Courtois an der Chronologie und einigen Informationen die Chronik auch in ihrem Inhalt angreift68.
Thompson, der an einer Mikrofilmkopie des Berliner Handschrift gearbeitet hat, betont die hohe Güte der Edition Mommsens, die allerdings nicht als fehlerfrei gelten kann, da hier Ergänzungen in der Chronologie vorgenommen wurden, die zu Verwirrungen geführt haben. Bereits für das Manuskript muß konstatiert werden, daß die Umrechnung der Jahreszahlen in Olympiaden nicht schlüssig ist69. Thompson geht davon aus, daß Hydatius nicht mit der Gewissenhaftigkeit eines Chronisten des 20. Jahrhunderts gearbeitet hat. Die sehr begrenzten Informationsnetze des 5. Jahrhunderts ließen es nicht zu, Ereignisse aus Italien oder dem Osten des Reiches exakter zu datieren.
Die Edition von Tranoy wird in der Forschung als zu unkritisch beurteilt. Zum einen folgt Tranoy stark der Linie Mommsens in den textkritischen Anmerkungen, und zum anderen übernimmt er sehr stark die Interpretation Courtois' für die chronologischen Unsicherheiten. Courtois verwarf Datierungen der Edition, ohne jedoch erkannt zu haben, daß diese z.T. Ergänzungen von Mommsen waren70.
Dennoch bietet die wohl beste Edition der Quelle immer noch der Text von Mommsen, der zwar auch Fehler aufweist, aber nicht die heute zum Teil wieder verworfenen Verbesserungen von Courtois beinhaltet, wie die Editionen Tranoys' und Campos'71. Eine aktuelle Edition der Chronik ist von Burgess angekündigt72, die dieser Untersuchung aber nicht zur Verfügung stand.
Die Einschätzung der Quelle hat in den letzten 40 Jahren eine starke Wandlung erfahren. Die Bedeutung, die ihr heute zugemessen wird, kann an der Aussage Thompsons festgemacht werden, der davon ausgeht, daß ohne die Chronik keine Geschichte Spaniens des 5. Jahrhunderts hätte geschrieben werden können, da sich ohne sie lediglich das Wissen um einige wenige, zusammenhanglose Ereignisse erhalten hätte73.



D. Zusammenfassung und Fazit

1. Zusammenfassung
Bei dem Versuch die Chronik des Hydatius zusammenzufassen, muß konstatiert werden, daß die zentralen Themen immer eng mit seiner Heimat verbunden sind. Der Chronist wird in seiner Berichterstattung von den ihn direkt betreffenden Ereignissen geleitet. Deutlich erkennbar ist seine Angst vor den Veränderungen, die in dem beschriebenen Zeitraum den nordspanischen Raum tangieren. Mit Sorge werden manche Ereignisse, die mit der Reichsführung verbunden sind, betrachtet. Hieraus kann geschlossen werden, daß Hydatius diese oftmals als eine Bedrohung der inneren Sicherheit und Ordnung des Reiches interpretiert hat.
Einen großen Einfluß auf das Denken des Autors nehmen die vielfältigen Häresien, von denen eine große Gefahr für die Kirche ausgegangen ist. In weiten Teilen der Darstellung erscheint Hydatius als ein sehr informierter Chronist. Fast beiläufig werden Details eingeflochten, die bei anderen Chronisten seiner Zeit keine Erwähnung finden wie beispielsweise die Heirat von Palladius Caesar, dem Sohn des Kaisers Petronius Maximus mit der Tochter von Valentinian III.74. Andererseits fehlen wichtige Ereignisse, die das Reich oder auch die Kirche betreffen, völlig. Das Konzil von Chalcedon aus dem Jahre 451, das mit seinen Entscheidungen zur Abweisung der Monophysitischer Lehren wohl bekannt war, findet keine Erwähnung.
Auf die in der Forschung noch immer diskutierten Fragen nach den Unsicherheiten in der Chronologie, die in der Chronik auftauchen, soll hier nicht detailliert eingegangen werden, da in den neuesten Untersuchungen von Burgess75 neue Ergebnisse veröffentlicht wurden. Als ein allgemeiner Forschungstrend zur Chronologie kann festgestellt werden, daß Unsicherheiten auftreten, die aber den hier vorgestellten Inhalten und den Bewertungen der Quelle nicht schaden.


2. Fazit
Bilanzierend kann gesagt werden, daß Hydatius nur einen skizzenhaften Bericht über den Zustand der Kirche in Spanien gibt. Die vorherrschenden Probleme sind für ihn der Arianismus, Priscillianismus und Manichäismus, die in dieser Zeit eine ernsthafte Gefährdung für die Kirche darstellten. Von diesen drei häretischen Bewegungen empfindet er den Priscillianismus als die für ihn größte Gefahr. Diese Einschätzung wird verständlich, wenn bedacht wird, daß selbst Bischöfe zu den Anhängern gehörten76. Der Arianismus hatte zwar im Imperium größere Bedeutung, aber nur geringen Einfluß auf Spanien. Hydatius deutet keinen Zusammenhang zwischen den Häresien und den barbarischen Okkupanten an. Trotzdem erscheint der Zustand der Kirche nicht als gesichert, sondern als ein von allen Seiten bedrohtes Gebilde.
Sein von starker Orthodoxie geprägtes politisches Denken verlangte nach einer starker Führung durch das Reich, die er allerdings schwinden sah, da sich die Autorität des Kaisers vor allem auf den Osten des Imperiums erstreckte.
Den großen Wert der Quelle macht einerseits die Sprache und andererseits die Bedeutung, die das Gebilde „Rom“ für den galicischen Bischof einnimmt aus. „Rom wird als ein Synonym für Ordnung gesehen, als ein Haltepunkt in dem vom Chaos bedrohten Land. Die Sprache und vor allem auch die Themenauswahl geben einen Hinweis auf die Lebenswelt des Hydatius. Das römische Imperium verkörpert einige Werte, die das Leben auch in den Provinzen über eine sehr lange Zeit geprägt haben wie beispielsweise Sicherheit und Ordnung. Die Chronik läßt erkennen, daß eine starke Identifikation Spaniens mit dem Römischen Reich stattfand. Dies wird unter anderem darin deutlich, daß die Städte lange Zeit unter dem Einfluß der römischen Kultur blieben, so daß die barbarischen Völker darauf nur wenig einwirken konnten, und auch keinen bleibenden Eindruck hinterließen.
Unter diesen Aspekten birgt die Chronik des Hydatius Details, die wenige andere Quellen bieten, die aber auch erst in dem Moment für historisches Interesse sorgen, wo diese Wissenschaft Fragen nach der Alltags- oder Mentalitätsgeschichte stellt. Bei der Betrachtung der absoluten Aussagekraft lassen die Ungreimtheiten im chronologischen Ablauf oder in der Art der Darstellung von Zahlen Zweifel an der Korrektheit der Quelle aufkommen. Sie betreffen aber nur die Vorkommnisse in Italien respektive dem Osten des Reiches. Die Chronologie ist für Galicien und die nähere Umgebung in Spanien und Südgallien auch für die spätere Phase der Chronik als sicher anzunehmen. Die Unsicherheiten erscheinen vor dem Hintergrund, daß die Chronik des Hydatius die einzige Quelle für das Spanien des 5. Jahrhunderts zu sehen ist, als nahezu unbedeutend.



D. Anhang

1. Quellen:
MOMMSEN, Th., Chronica Minora II = MGH AA XI 1894, S. 1ff.

HYDACE, Chronique, hrsg. von Alain TRANOY, Sources Chrétiennes Nr. 218 und Nr. 219, Paris 1974.

HYDATIUS, Idacio, Obispo de Chaves, Su Cronicón, ediert und übersetzt von Julio CAMPOS. Salamanca 1984.


2. Darstellungen

BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE in vierundzwanzig Bänden. Neunzehnte, völlig neu bearbeitete Auflage. Mannheim 1986-94.

COURTOIS, Christian., Auteurs et Scribes: Remarques sur la Chronique d'Hydace. In: Byzantion 21, 1951, S. 23-54.

DEMANDT, Alexander, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284-565 n. Chr. München 1989.

HÖFER, Josef/RAHNER, Karl, Lexikon für Theologie und Kirche. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. 11 Bde. Freiburg 1957-67.

KEAY, S.J., Roman Spain. London 1988.

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3. Anmerkungen:

1MOMMSEN, Th., Chronica Minora II = MGH AA XI 1894, S. 1ff.

2MUHLBERGER, Steven, The fifth-century chroniclers. Prosper, Hydatius and the Gallic Chronicler of 452, Leeds 1990, S. 200 ff.

3Hydatius schrieb eine Fortsetzung der von Hieronymus bis ins Jahr 378 weitergeführten Chronik des Eusebios, die er bis 468 fortführte.

4MUHLBERGER, S., wie Anm. 2.

5THOMPSON, E.A., Romans and Barbarians. The Decline of the Western Empire, Madison 1982.

6BURGESS, Richard W., Hydatius: A Late Roman Chronicler in Post-Roman Spain. An Historiographical Study and New Critical Edition, Diss. phil. Oxford 1988.

7MOMMSEN, wie Anm. 1.

8DEMANDT, Alexander, Die Spätantike: römische Geschichte von Diocletian bis Justinian; 284-565 (Handbuch der Altertumswissenschaften: Abt. 3; Teil 6) München 1989, S. 325ff.

9Ebd. S. 389.

10Ebd. S. 341.

11Ebd. S. 342.

12RUHL, K.-J., Spanien-Plötz. Spanische und portugiesische Geschichte zum Nachschlagen. 2., Aktualisierte Auflage Freiburg 1991. S. 33.

13Dieser Begriff bezeichnet die vermögenden Gutsbesitzer, die in der spanischen Provinz sehr großen Einfluß hatten. Der Begriff „potentes“ bezeichnet eine soziale Kategorie, die eine nahezu souveräne Herrschaft über Menschen und Besitz ausübten.

14Auf die Quelle des Orosius „Historiarum adversus paganos libri VII“, die als wichtige Quelle für das 4. und 5. Jahrhundert gesehen werden muß, soll hier nicht weiter eingegangen werden.

15Vgl. Karte 1, Anhang.

16Vgl. THOMPSON, S. 154, Anm. 75.

17Hydatius benutzt in der Quelle die Bezeichnung „Gallaecia für die Landschaft, die im Osten an Asturien und León, im Süden an Portugal (nicht in den heutigen Grenzen, da die Städte Braga und Chaves auch zu Gallaecia gehörten) und im Westen und Norden an den atlantischen Ozean angrenzt. Mit dieser Umschreibung entspricht die römische Provinz Gallaecia einem weit größeren Gebiet als das heutige Galicen. Im folgenden Text wird zur Vereinfachung eine begriffliche Gleichsetzung von Gallaecia und Galicien vorgenommen, jedoch verbleibt die Bezeichnung Gallaecia in den Zitaten.

18HYDATIUS, praef. Kapitel1: „Verum Hydatius, prouinciae Gallaeciae natus in Lemica ciuitate...“

19S. ZEDLER, Johann Heinrich, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, 68 Bde., Halle und Leipzig 1732-1754, Ndr. Graz 1961-1964, hier Bd. 10 Sp. 189, 1735.

20MUHLBERGER, S. 193, Anm. 2.

21HYDATIUS, Kapitel 96.

22HYDATIUS, Kapitel 130.

23Der Manichäismus ist eine von Mani (216-276) begründete dualistische, gnostische Religion, die vorderasiatische, buddhistische, jüdische und christliche Lehren miteinander zu einer Heilslehre verband. Sie war besonders im 4. Jh. ein ernstzunehmender Gegner der christichen Kirche. Der Manichäismus wirkte auch später vor allem bei Bogomilen, Kartharern und Albigensern weiter.

24HYDATIUS, Kapitel 201.

25Vgl. MUHLBERGER, S. 199.

26Auf diesen Punkt wird im folgenden Kapitel, in welchem die Inhalte der Quelle diskutiert werden eingegangen.

27HYDATIUS, praef. Kapitel 5.

28Vgl. THOMPSON, S. 142.

29HYDATIUS, Kapitel 34: „Solis facta defectio III idus Novembris“.

30HYDATIUS, Kapitel 43 und Kapitel 48, vgl. THOMPSON, S. 142.

31HYDATIUS, Kapitel 1: „Romanorum XXXVIIII, Theodosius per Gratianum in consortium regni adsumptus cum ipso et Valentiniano iuniore. Regnat annis XVII“.

32HYDATIUS, Kapitel 2: „I. Theodosius natione Spanus de prouincia Gallaecia ciuitate Cauca...“

33Priscillian ist als Asket und Gründer einer nach ihm benannten religiös- asketische Bewegung mit gnostischen Glaubensinhalten bekannt. Er lebte von etwa 335 (oder 345) bis 385 und wurde 380 zum Bischof von Avila geweiht.

34Vgl. HÖFER, Josef/RAHNER, Karl, Lexikon für Theologie und Kirche. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. Bd. 8 Sp. 770, Freiburg 1963.

35HYDATIUS, Kapitel 13b.

36Ebd.

37HYDATIUS, Kapitel 16: „Exim, in Gallaeciam Priscillianistarum haeresis inuasit“.

38Vgl. HÖFER, Josef/RAHNER, Karl, Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 8 Sp. 770, Freiburg 1963.

39BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE in vierundzwanzig Bänden. Neunzehnte, völlig neu bearbeitete Auflage. Mannheim 1986-94, hier Bd 17 1992.

40HYDATIUS, Kapitel 18: „ [...] insignibus praeditus et usque Aegyptum penetrans getium simulacra subuerit“.

41HYDATIUS, Kapitel 32.

42HYDATIUS, Kapitel 34: „Solis facta defectio III idus Nouembris“

43Zur Umrechnung der Olympiadenzeitrechnung in die chrisliche Zeitrechnung kann nach der von Cortois vorgeschlagenen Formel (x-1)4- (776-1) vorgegangen werden, wobei x für die Anzahl der Olympiaden steht.

44HYDATIUS, Kapitel 42.

45HYDATIUS, Kapitel 43.

46Vgl. THOMPSON, E.A., Romans and Barbarians, S. 142

47Ebd.

48HYDATIUS, Kapitel 49: „Gallaeciam Vandali occupant et Sueui sita in extremitate oceani maris occidua; Alani Lusitaniam et Carthaginiensem prouincias et Vandali, cognomine Silingi, Baeticam sortiuntur. Hispani per ciuitates et castella residui a plagis barbarorrum per prouincias dominantium es subiciunt seruituti.“

49Die Vandalen können in zwei Teile gegliedert werden; die Asdingen und die Silingen. Vgl. dazu VOGT, J., Die Spätantike. Der Niedergang Roms - Metamorphose der antiken Kultur. Kindlers Kulturgeschichte Europas Bd. 5, München 1983, S. 342.

50HYDATIUS, Kapitel 63: „Vallia, rex Gothorum, Romani nominis causa, intra Hispanias caedes magnas efficit barbarorum.“

51HYDATIUS, Kapitel 65: „Romanae ecclesiae Post Theophilum XXXVIIII praesidet episcopus Eulalius.“

52HYDATIUS, Kapitel 71a: „... de quibus ita gestis eiusdem episcopi scripta declarant.“

53HYDATIUS, Kapitel 89: „... mox dei iudicio daemone correptus ineriit.“

54HYDATIUS, Kapitel 110.

55HYDATIUS, Kapitel 112.

56HYDATIUS, Kapitel 150: „CCC ferme milia hominum in eo certamine cecidisse memorantur“

57HYDATIUS, Kapitel 136: „Solis facta defectio die X Kal. Ianuarias, qui fuit Tertia feria.“

58HYDATIUS, Kapitel 149: „In Gallaecia terrae motus assisdui, signa in caelo plurima ostendentur.“

59HYDATIUS, Kapitel 150: „Aetius ... manu ipsius Valentiniani imperatoris occiditur.“

60HYDATIUS, Kapitel 168: „Sueui Carthaginiensem regiones ... depraedantur.“

61HYDATIUS, Kapitel 158: „Per Fredericum, Theodorici regis fratrem, Bacaudae Terraconeses caeduntur ex auctoritate Romana.“

62HYDATIUS, Kapitel 159: „In Gallaecia, terramotus et in Sole Signum in ortu quasi altero secum concerdante monstratur.“

63HYDATIUS, Kapitel 253: „ ... et multa alia ostenta, quae memorare prolixum est.“

64S. MUHLBERGER, S. 199.

65S. Zu dem folgenden Abschnitt MUHLBERGER, S. 200.

66COURTOIS, Chr., Auteurs et Scribes: Remarques sur la Chronique d'Hydace. In: Byzantion 21, 1951, S. 23-54.

67Im Gegensatz zu Courtois, von dessen Arbeit angenommen wird, daß sie allein auf der Edition Mommsens beruht (vgl. MUHLBERGER S. 203) lag Thompson eine Mikrofilmaufnahme der Handschrift vor (vgl. THOMPSON S. 227).

68THOMPSON, S. 137: „ ... Courtois fell upon wide tracts of his Chronicle, ore them ruthlessy from the main body, and pitchforked them into a limbo of spuria vel dubia.“

69THOMPSON, S. 227.

70S. THOMPSON, S. 227.

71CAMPOS, J., Hydatius, Idacio, Obispo de Chaves, Su Cronicón, ediert und übersetzt von Julio Campos. Salamanca 1984.

72Vgl. Anm. 6.

73THOMPSON, S. 137.

74HYDATIUS, Kapitel 162. Vgl. THOMPSON, S. 143.

75Vgl. S. 5 und Anm. 6.

76Vgl. HÖFER/RAHNER, Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 8 Sp. 769.