Sozialgeschichte der Weimarer Republik

 

Ausbau des Sozialstaats

 

„Die Ordnung des Wirtschaftslebens muss den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen!“ (Art 151) Nach diesem Sozialstaatsprinzip versuchte die Weimarer Verfassung einen Sozialstaat aufzubauen, der sich auf die Reformvorstellungen aus der Zeit des Kaiserreichs stützte. Dies bedeutete nicht, dass die neuen Veränderungen nicht fortschrittlich gewesen wären: der Schutz der Arbeitskraft, Koalitionsfreiheit und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer wie auch das Recht auf Arbeit wurden gesichert. Der Mittelstand wurde nun erheblich gefordert. Der Schutz der Mütter, des Familienlebens und der Erziehung wurde gewährleistet. Außerdem wurde die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Gleichstellung außerehelich geborener Kinder eingeführt.

 

Die durch die Inflation zerrüttete Sozialversicherung wurde schrittweise wieder aufgebaut. Bedeutend war z.B. die Ausdehnung der Krankenkassenleistungen auf die Familienangehörigen. Daneben wurden Vorsorgemedizin und Unfallversicherung ausgebaut. Invaliden- und Altersversicherung wurden zur Rentenversicherung vereint und bessere Leistung wurde somit zugleich gesichert. 1927 kam schließlich die Arbeitslosenversicherung hinzu.

Der Ausbau der Sozialversicherung führte jedoch auch zu starker finanzieller Belastung und zog steigende Steuern nach sich: Während 1913 8% der Bruttogehaltsumme zu zahlen war, betrug die Steuer 1929 schon 12,5% der Bruttogehaltsumme zuzüglich 3% für die Arbeitslosenversicherung.

 

Wegen der großen Armut nach Krieg und Inflation waren die Menschen auf öffentliche Fürsorge angewiesen. Für die in soziale Abstiegsprozesse geratenen Menschen wurde 1924 der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe eingeführt. Die Höhe der Zahlung war abhängig von der Bedürftigkeit und diente der unmittelbaren Existenzsicherung. Im Jahre 1929 gab es bereits 2,75 Mio. Fürsorgeempfänger.

 

Die Wirklichkeit der Sozialpolitik lag jedoch hinter den Ansprüchen an ihr zurück. Die Ausgaben aller Zweige der sozialen Sicherung betrugen im Jahre 1929 schon 9 Mrd. Reichsmark. Dies stellte ein erhebliches Wachstum gegenüber dem Jahre 1913 dar, in dem die Ausgaben noch ca. bei 1 Mrd. gelegen hatten. Das zunehmende Missverhältnis zwischen Ausgaben und wirtschaftlicher Wachstumsschwäche führte zwangsläufig zum Abbau der Sozialleistungen. Im Gegensatz zur Realität, die gekennzeichnet war durch anonyme Sozialbürokratie, kleinliche Bedürftigkeitsprüfungen und individuelle Zuwendung, die nur das Existenzminimum sicherten, blieben sozialstaatliche Garantieerklärungen der Verfassung bestehen. Die Zielvorstellungen der für die Sozialpolitik Verantwortlichen gingen sogar über die ursprüngliche Idee – Sozialpolitik als Ausgleich für Härtefälle – hinaus: man dachte auch an den Aufbau einer umfassenden Sozialbürokratie, gekennzeichnet durch Professionalisierung der Sozialberufe und Verwissenschaftlichung der Sozialpolitik. Es entstand der Gedanke eines umfassendes Programms zur Erfassung, Pädagogisierung und Disziplinierung aller problematischen Sektoren der Gesellschaft.

 

Somit wurden die Sozialpädagogik und die Sozialhygiene eingeführt: Sozialpädagogische Gesichtspunkte waren z.B. das Reichsjugendfahrtsgesetz von 1922 sowie das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1923. Sozialhygienische Einflüsse waren das Gebiet der Präventivmedizin und auch andere Bereiche wie etwa der Sexualaufklärung und Familienberatung, in Forderungen an den Wohnungsbau und die Gestaltung von Freizeitanlagen, in der Propagierung von Grundsätzen für Ernährung, Haushaltsführung, Säuglingspflege usw.

 

Durch den finanziellen Druck entwickelte sich bei Sozialpolitikern und Wissenschaftlern die Forderung einer „Biologisierung“ des Volkes: Durch ein sozialbiologisches Ausleseverfahren, bei dem mit Hilfe von systematischen erbgesundheitlichen Untersuchungen tatsächliche oder angeblich erblich bedingte Defekte gefunden werden sollten, sollte die Geburtenrate der „minderwertigen“ subproletarischen Schichten durch „Ausmerzung“ kontrolliert werden und auf eine Erweiterung der „wertvollen“ Kreisen gezielt werden. Dieses von rassistischen Gedankengängen und von sozialen Vorurteilen geprägte Konzept gewann durch den Kostendruck immer mehr an Bedeutung und diente schließlich wenige Jahre später als Grundidee der „Bevölkerungspolitik“ der Nationalsozialisten.

 

 

 

Alltagsleben in der Weimarer Republik

 

Das erste was man wissen muss wenn man sich mit dem Alltagsleben in der Weimarer Republik beschäftigen möchte, ist dass die Gesellschaft in dieser Zeit nach dem 1. Weltkrieg gespalten war in arm und reich, in Stadt und Land

und in Arbeitskraft und Bürgertum. Außerdem gab es eine wirtschaftliche Not in der Bevölkerung. Die Arbeiterfamilien lebten am Rande des Existenzminimums, aber der Freizeit und Vergnügungsbereich nahm immer konkretere Formen an und wurde immer wichtiger.

 

Das Alltagsleben der Deutschen nach Kriegsende hatte sich sehr verändert.

Auf der Straße fand man unterernährte Kinder und Erwachsene. Außerdem gab es einen Mangel an Grundnahrungsmitteln. Dieser Mangel förderte den Schleichhandel in der Bevölkerung. (Schleichhandel bedeutet einen Tausch zu führen von Wertgegenständen gegen Nahrungsmittel). Nicht nur unterernährte Kinder und Erwachsene waren Folgen des Krieges, sondern auch noch Arbeitslosigkeit, Inflation, Wohnungsnot, Hunger und Elend . Deswegen kam es zu Plünderungen und Diebstählen von Geschäften. Für die reiche Bevölkerung bedeutete die Inflation einen großen Tiefpunkt, sie wurden plötzlich bettelarm.

Die deutsche Bevölkerung suchte sich einen Ausgleich um nicht an das schreckliche Alltagsleben denken zu müssen. Sie gingen in Vereine, in Kinovorstellungen, in die Oper, in Theatervorstellungen, besuchten Revuen oder Konzerte. Die Vereine waren meistens Sportvereine, wie der ATSB ( Arbeiter- Turn- und- Sportbund) oder Verbände, die eine politische Meinung vertraten z.B. der Verband Stahlhelm oder Verbände die den Pazifismus vertraten unter dem Motto „ Nie wieder Krieg “. Durch diese unterschiedlichen politischen Meinungen der Bevölkerung, gab es auch vereinzelt Demonstrationen oder Aufstände der verschiedenen Gruppen.

Der gewöhnliche Arbeitstag eines Arbeiters in der Stadt umfasste acht Stunden, auf dem Land achtzehn Stunden. Nach Feierabend gab es noch Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel die Taubenzucht oder andere.

Das Leben in dieser Zeit war nicht sehr einfach, aber man bekam praktische Hilfe von der 1919 gegründeten Arbeiterwohlfahrt.

 

 

 

Die Wohnungsverhältnisse einer Arbeiterfamilie

 

Die Wohnungsverhältnisse sind sehr trübe, man lebt in einer zwei Zimmer Wohnung in einer Mietskaserne. Diese besteht aus einer Stube und einer Küche. Drei oder vier Zimmer Wohnungen sind sehr selten und kommen meistens nur in wenig  besseren Häusern vor. In manchen Häusern befindet sich nur eine Wohnküche, also nur ein Raum zum leben. In einzelnen Fällen wird der Flur ebenfalls vermietet.

Man lebt sehr eng zusammen es gibt  sehr wenig Platz. Außerdem kann ein Raum mit einem Kreidestrich getrennt sein damit mehrere Personen in diesem Raum wohnen können. Die Badeinrichtung teilen sich drei bis vier Familien, sie befindet sich einen Treppensatz tiefer im Haus. In den 20er Jahren waren Familien mit vier bis neun Kindern normal. Der Vater hatte innerhalb der Familie die Vollmachtstellung. Bei den Mahlzeiten musste sich die Familie stets nach den Erträgen aus dem eigenen Garten richten. Das Alltagsleben folgte stets geordneten Regeln:  Sonntags ging die Familie in die Kirche, der große Bruder musste auf seine Geschwister auf passen und vor dem schlafen gehen wurde noch gebetet. Der Zusammenhalt der Familie war sehr hoch.

 

 

Der Tagesablauf einer normalen Arbeiterfamilie

 

Der Tag einer Arbeiterfamilie beginnt damit das der Vater sehr früh das Haus verlässt, um seinen 10 bis 12 Stundentag abzuarbeiten. Die Mutter kümmert sich um den Hausalt. Sie macht Heimarbeit, wie Wäsche waschen, kochen oder Aufwartung aus dem Haus. Ihr Problem ist es, wenn sie Essen kocht, dass nicht alle Familien Mitglieder zur gleichen Zeit essen können. Erwachsene Kinder  kommen zu anderen Zeiten nach Hause d.h. die Hauptmahlzeit muss für jeden einzeln gekocht werden. Nach der Arbeit erledigt abends der Vater noch andere Arbeiten, wie zum Beispiel die Stiefel zu besohlen, Küchenreparaturen oder das Nachsehen von Schulaufgaben bei kleineren Kindern. Nach dem Zeitung lesen geht er früh ins Bett, weil er wieder am nächsten Tag wieder früh aufstehen muss.

Bei Witwen mit vielen Kindern kann der Tagesablauf durcheinandergeraten, denn dort muss die Frau arbeiten gehen und somit wird der Tagesablauf gestört.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Tagesablauf einer Arbeiterin

 

„Durch Arbeitslosigkeit meines Mannes bin ich zu der Erwerbstätigkeit gezwungen. Um nicht in allzu große Notlage zu geraten, muss ich zum Haushalt meiner Familie, welche aus meinem Mann, drei Kindern im Alter von 3 bis 13 Jahren und mir besteht. Mein Wohnort liegt im Kreise Zeitz, die Arbeitsstelle ist eine Wollkämmerei, in welcher ich Putzerin bin. Da ich fast eine Stunde Bahnfahrt habe, stehe ich früh um 4.30 Uhr auf. Der Zug fährt um 5.10 Uhr ab, kommt 5.55 Uhr am Arbeitsort an. Da unsere Arbeitszeit um 6 Uhr beginnt, muss ich vom Bahnhof zur Fabrik einen Dauerlauf machen, um rechtzeitig an der Arbeitsstelle zu sein. Dort putze ich bis 14.15 Uhr Krempelmaschinen. Der Zug, mit welchem ich fahren kann, fährt erst um 17.30 Uhr. Ich halte mich solange noch auf dem Bahnhof auf. Bin dann gegen 18.00 Uhr zu Hause. Nun gibt es noch daheim zu schaffen. Das Essen fertig kochen, für den nächsten Tag vorzubereiten, bei den Kindern die Sachen nachsehen, ob sie noch ganz und sauber sind. Wenn man den ganzen Tag nicht da ist, wird noch ein bisschen mehr gebraucht, weil die kleinen Schäden nicht so beachtet werden können. Am Abend ist man auch von der langen Zeit müde und abgespannt und die Sachen, Wäsche und Strümpfe, müssen sonntags ausgebessert werden. Manchmal muss ich noch meinen Schlaf opfern, da ich Partei – Arbeiterwohlfahrtsversammlungen besuche und letztere sogar als Vorsitzende leiten muss. Am Sonnabend bin ich um dieselbe Zeit zu Hause. Da gehe ich erst einmal in den Konsumverein einkaufen, um für die ganze Woche Lebensmittel zu haben. Alle vier Wochen habe ich große Wäsche für meine Familie allein zu waschen. Am Abend vorher mache ich dazu alles fertig, um Sonntagmorgen beizeiten anfangen zu können. Sonst beginnt der Sonntag um 7 Uhr. Da gibt es zu tun mit dem Reinemachen der Wohnung und Ausbessern der Kleidungsstücke. Um 14 Uhr beginnt dann für mich der Sonntag. Er wird mit dem Besuch einer Arbeiterveranstaltung oder mit einem Spaziergang beendet.“

 

 

Der Unterschied vom Mittelstand zum Arbeiter

 

Das Gehalt des Mittelstandes war nicht viel höher als das des Arbeiters. Ein gelernter Arbeiter verdiente 50 – 60 Mark pro Woche, ein ungelernter Arbeiter 30 – 40 Mark pro Woche und eine Arbeiterin 15 – 20 Mark pro Woche.

Die Werte eines Arbeiters waren gute Kleidung und gutes Essen, die vom Mittelstand ebenfalls gute Kleidung aber auch vornehmeres Wohnen. Der Mittelstand war besser gekleidet als der Arbeiter und wohnte vornehmer, hatte einen mehr gediegeneren Hausrat. Er nahm bildenden Unterricht und las Bücher. Er besucht Vorträge, Konzerte und Theater. Ihnen war die Arbeit eine seelische Befriedigung und nicht wie für den Arbeiter ein Übel.

 

 

Der Arbeiter:

 

 

 

 

Die Gesellschaftsschichtung der Weimarer Republik

 

Es gibt fünf Arten der Gesellschaftsschichtung in der Weimarer Republik

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitalisten:

Die Kapitalisten sind die oberste Gesellschaftsschicht. Sie waren Großunternehmer, Großgrundbesitzer und Großrentner, ihre Mentalität war von der „Krise des kapitalistischen Denkens“ erfasst.

 

Alter Mittelstand:

Der alte Mittelstand waren mittlere und kleine Selbstständige in Handel, Handwerk und Landwirtschaft. Ihre Mentalität war im Verteidigungszustand, um ihr Prestige und ihre wirtschaftliche Situation zu sichern.

 

Neuer Mittelstand:

Der neue Mittelstand waren Beamte und Angestellte ( vor allem mittlere und untere ).

Ihre Mentalität war uneinheitlich und sie hatten eine ideologische Unsicherheit.

 

Proletariode:

Diese Gesellschaftsschichtung ist ein „abgeglittener alter Mittelstand“. Es waren Tagewerker für eigene Rechnung. Ihre Mentalität ist ebenfalls uneinheitlich. Die politischen Meinungen in dieser Gesellschaftsschicht sind unterschiedlich und teilen sich auf in die Parteien: Nationalsozialisten, Stahlhelm, Zentrum und Kommunisten.

 

Proletariat:

Das Proletariat ist die unterste und letzte Gesellschaftsschicht. Man versteht darunter die Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft. Ihre Mentalität ist eine gemilderte Marxistische Mentalität.     

 

 

 

Die Entwicklung der Frauenemanzipation

in der Weimarer Republik

 

Die veränderte Stellung der Frau in der Gesellschaft ist


gestiegen. Sie mussten oft ihre Kinder allein erziehen, Bombenkrieg, Vertreibung, Im Krieg und in den ersten Nachkriegsjahren waren die Belastungen der Frauen sehr Nahrungsmittel- und Wohnraummangel trafen sie schwer. Zugleich hoben diese Belastungen ihre Selbständigkeit und ihr Selbstbewusstsein.

 

Die Erwerbstätigkeit der Frauen im Jahre 1925 betrug ca. 35,6% wobei jede Zehnte als Hausgehilfin ohne soziale Sicherung und mit überlangen Arbeitszeiten tätig waren. Außerdem verdienten Hilfsarbeiterinnen und Facharbeiterinnen in der Industrie im Durchschnitt nur zwei drittel der Männerlöhne. Da die geltenden Gesetze nur zum Teil an die Verfassung angepasst wurden – die familienrechtlichen Bestimmungen von 1900 blieben weiterhin in Kraft z.B durften verheirateten Frauen wie schon im Kaiserreich nur mit Genehmigung  des Ehemannes berufstätig sein und in Krisenzeiten  wurden sie als erste entlassen. Frauen blieben trotz Artikel 109 WV (staatsbürgerliche Gleichheit) und 119 WV (eheliche Gleichberechtigung) vielfach benachteiligt. Die Frauen hatten es satt so unterdrückt zu werden und versuchten eine Bewegung in die Freiheit zu machen. Sie organisierten sich verstärkt innerhalb der Frauenbewegung für das erlangen von politischen, sozialen und zivilen Bürgerrechten.

 

[Postkarte: AEG Haartrockner, um 1925]Man begegnete aber trotzdem noch viel zu selten den Frauen, die emanzipiert waren und in akademischen oder freien Berufen Karriere machten. Diese Frauen ließen sich von der Werbung leiten und übernahmen den modischen Kleidungsstil, die kurzgeschnittene Frisur „Bubikopf“ und gewöhnten sich männliche Symbole an wie Rauchen, Sporttreiben, und Autofahren, somit  war die Idee der „Neuen Frau“ geboren.                                                                                                                                     

[Abbildung]



 

Dadurch fühlten sie sich selbstbewusster und als vollwertige Menschen wahrgenommen. Zugleich wollten sie Rechte erlangen die ihnen eine bewusste Lebensplanung ermöglichten, wobei die moderne Einstellung zur Sexualität, die selbständige Geburtenregelung sowie legaler Schwangerschaftsabbruch eine große Rolle spielten. Trotz der größeren Möglichkeiten zur Selbständigkeit waren die meisten Frauen in der Weimarer Republik Hausfrauen.

Die Frauen mussten hart für ihre heutigen Rechte kämpfen. Erst ab den 50er Jahren bewies sich ihre Hartnäckigkeit und sie kamen langsam ihrem Ziel, der Gleichberechtigung mit den Männern näher.